• Blick ins Karwendeltal

Hochtour Westalpen Mont Blanc Massiv

Sonntag, 14. Juli 2019 - Donnerstag, 18. Juli 2019

Zwoa Skydogs auf dem Zahn des Riesen

Wir Bergsteiger genießen das Privileg an Örtlichkeiten verweilen zu dürfen, welche für viele andere nicht erreichbar sind. Aber, auch wir sind nur Gäste, der Aufenthalt am Berg ist nur begrenzt möglich, denn er diktiert uns die Bedingungen. So sollte es am Sonntag 14.Juli auch endlich für uns losgehen, um im Mont Blanc Massiv unsere Wunschtouren zu verwirklichen.

Nach der Durchfahrt des   Mont Blanc Tunnels bei Chamonix kommt man im wunderschönen Courmayeur im Aostatal heraus. In einem kleinen Seitental, dem Val Ferret, suchen wir uns für die erste Nacht im Chalet Proment ein nettes Plätzchen zum Schlafen. Der herrliche Ausblick auf die unüberwindbar scheinende Bastion des Grandes Jorasses, die traditionelle Küche mit einer feinen Bar runden das Ganze ab. Bei einem süffigen Bier erzählt mir Xaver seine Abenteuer die er hier erlebte und überlebte; u. a. die Besteigung des Grandes Jorasses 4208m, und vom Rifugio Boccalatte mit der „leckeren Tomatensuppe“. Was Xaver und Günni unter Todesgefahr zu dieser Zeit    geleistet und erlebt haben beeindruckt mich sehr.   Dann essen wir „Polenta e spezzatino di manzo“ für due persone. Trotz Riesenhunger haben wir ganz schön zum Kämpfen, dass ja nichts übrig bleibt vom üppigen Menü. Wir besprechen noch den morgigen Tagesablauf, nachdem ein „Kaltlufttropfen“ die bisherige Wetterprognose schnell über den Haufen geworfen hat.

Am ersten Tag fahren wir nach dem Frühstück mit der neuen Seilbahn auf die Pointe Helbronner 3462 m.  Mit dem Personenaufzug fährt man wieder ca. 100 Hm runter und geht dann durch einen Tunnel zur Rifugio Torino 3375m. Wir sehen zum ersten Mal den „Dent du Geant“, der über Nacht schön angezuckert wurde. Der Neuschnee ist für das Felsklettern an diesem Berg nicht unbedingt ideal,   deshalb  beschließen wir  als erstes die „Tour Ronde“ zu machen. Bei der Exkursion über das Col. Flambeaux begutachten wir den Zustieg für unser Vorhaben.

Die Tour Ronde im Schatten des Mont Blanc ist eine kombinierte Tour im Fels und Eis. Beim ersten Licht der Morgendämmerung betreten wir den Gletscher in Richtung Einstieg. Beim Sonnenaufgang leuchten die Granitriesen wie der „Grand Capucin“ im schönen Rot. Der Blick zurück lohnt sich, um diesen kurzen Moment zu genießen.  

Unterhalb des Col. d`Entreves, auf einem flachen Plateau, lösen wir unser zweites Eisgerät, um das erste steile Firnfeld zu überwinden. Zum Glück ist hier noch nichts blank, ziemlich schnell sind wir bei den ersten Felsen und beginnen mit der Gratkletterei. Im allerbesten Granit sind die Schwierigkeiten nie größer als Zwei, Einzelstellen bis zum Dritten Grad. Meist rechts oder links der messerscharfen Gratschneide klettert und umgeht man großen Gendarmen. Xaver und ich sind zügig unterwegs, zwei weitere Seilschaften mit Bergführern sind stets hinter uns. Zum Schluss folgen wir dem Firnfeld, das zum felsigen Gipfel führt. Dieser sieht aus wie ein Kreis „Ronde“. Neben der Gipfelmadonna genießen wir den Blick zum 1000 Meter höheren Mont Blanc der neben uns aufragt. Der slowenische Bergführer hat es mit seiner Kundin auch bis zum Gipfel der 3792 m hohen „La Tour Ronde“ geschafft. Die andere Seilschaft musste umkehren. Am Ende nutzen wir noch die drei Abseilstellen und erleichtern uns dadurch den Abstieg durch das steile Firnfeld. Was für eine tolle Tour! In der Bar der Rifugio Torino zischt heute nicht nur das erste Bier. Auch mit der Sonne sind wir zufrieden -  sie hat den Dent du Geant wieder von seiner Zuckerhaube befreit.

Der Dent du Geant ist mit seinen 4013 m eine imposante Granitnadel. Trotz der Nähe zur Hütte und den Fixseilen, dieser Gipfel schenkt einem nichts.  Vor diesem Vorhaben am nächsten Tag können wir etwas länger schlafen, u. a. weil die Wand zum Klettern nach SW zeigt und spät besonnt wird. Zunächst ist der Zustieg auf dem Gletscher relativ flach und erst zum Schluss wird es sehr steil. Die Schnee/Firnrinne ist nicht mehr im allerbesten Zustand, aber wir nutzen sie trotzdem und gelangen durch felsiges Gelände bis zum Frühstücksplatz.  Dieser Weg ist etwas „Tricky“ (kniffelig), man muss auf kleine Stoamandl und Steigspuren achten. Die optimale Linie im Aufstieg einzuhalten ist nicht so einfach. Wir merken dies, als wir einem russischen Pärchen folgen. Den Schrei von ihr kann ich leider nicht mehr nachmachen, aber nach dem dritten Stein, den sie  unachtsam  los tritt, reicht es Xaver und mir.  Am Frühstücksplatz angekommen richten wir uns bei den anderen Bergsteigern ein Depot ein.

Nur das nötigste wird mitgenommen, wichtig unser zweites Seil für den Rückzug auf der Abseilpiste. Angeseilt geht es vom Depot aus wenige Meter entlang des Wandfußes bis zum ersten Standplatz.  Die ersten Seillängen sind frei zu Klettern und die Absicherung gut. Nach einer Verschneidung im III Grad erreicht man den „Place Mummery“. Dies ist eine kleine Terrasse, bei der dicke Fixseile über die „Burgener Platten“   führen. Beim Blick nach oben sehen wir das Ende des ganzen Staus, viel los heute. Zum Glück sind wir die letzte Seilschaft und müssen uns nicht drängeln lassen.  Unterhalb der Sonnenterrasse befindet sich die Crux, eine abdrängende Verschneidung. Wer hier dicke Arme hat kommt ganz schön ins Schwitzen und bei fast 4000 m kann die Luft schon dünn werden. Am Grat klettert man wieder frei bis zum Vorgipfel, von dort über eine fixe Reepschnur in den Sattel. In exponierter Kletterei geht es weiter bis zum Hauptgipfel „Pointe Graham“ 4013 m. Hier steht die vom Blitzschlag gezeichnete Madonna, bei der ich mich für diese tolle Tour bedanke. Die Aussicht ist grandios, vom kompletten Rochefort Grat, Grandes Jorasses,  Aig. Verte, Mont Maudit u. Mont Blanc ist alles zu sehen; und wir mitten drin  auf einer Felsnadel.   Der Rückzug erweist sich nochmal sehr spannend, weil die Abseilstellen nicht immer in Falllinie verlaufen. Nach dem zweiten Abseilstand hätte nach 35 m ein weiterer kommen sollen. Mittlerweile bin ich schon gute 40 m abgeseilt und die vermeintliche Abseilstelle ist  ca. 6 – 7 m weiter links. Eigentlich kein Problem, wenn man mit den Füssen am Fels ist, aber ich hänge ca. 2m von der Wand weg in der Luft, und noch mehr Luft unter mir.  Keine Ahnung was die Jungs vom Frühstücksplatz alles rufen: „Left, Left, Swing!“ Ja, Halleluja, bin I a Huberbua und mach an King swing. Viel kannst in der Situation nicht machen, entweder die letzten 10 m noch abseilen oder wieder hoch prusiken. Mut zur Lücke und weiter abseilen. Ich höre glaublich noch jemanden etwas mit „Helikopter“ rufen. Hat doch alles gepasst, ca., 30 cm vor Ladenschluss (Seilende) sehe ich drei Meter neben mir einen schönen glänzenden Bolt mit einer Mailon Rapide (Schraubglied). Mit fixierten Kurzprusik unterhalb des Abseilgerätes traversiere ich hin und mache mich am Bolt fix.  Xaver: „Stand!“ Der Rest verläuft problemlos und der anschließende Abstieg ist, rückblickend nach oben, deutlich angenehmer.

 Nach ca. 12 Stunden sind wir wieder auf der Rifugio Torino.  Pünktlich zum zweiten Schichtessen um 19:30 Uhr werden wir herzlichst begrüßt. Wolfshunger und Durst wie ein Kamel nach dieser anspruchsvollen Tour.

In diesem Sinne:  „Träume nicht dein Leben sondern lebe deinen Traum“

Stephan Thalmayr

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